Im Restaurant Le Maguet in Les Evouettes, wo Benjamin Le Maguet zusammen mit seinem Vater Olivier eine innovative, auf das heimische Terroir fokussierte Küche verfolgt, sind Auberginen nun öfter auf dem Speiseplan anzutreffen. Der Jungkoch schneidet ein Exemplar vom Strauch, dessen Optik nahelegt, warum Aubergine auf Englisch eggplant heisst, also Eierfrucht: Form und Farbe erinnern an ein Frühstücksei, einzig die grüne Blattkappe lässt den Vergleich etwas hinken. «Die hier», sagt Le Maguet, «hat ein festes Fleisch mit leicht nussigem Geschmack. Ich verarbeite sie zu Chips oder Kaviar.»
Auberginen gehören, wie Kartoffeln oder Tomaten, zu den Nachtschattengewächsen. Sie enthalten Solanin, eine schwach giftige chemische Verbindung, die auch im Tomatengrün und in der Kartoffelschale vorkommt und beim Kochen grösstenteils ins Wasser übergeht. Für die Aubergine gilt wie im Fall der Kartoffel die Empfehlung, sie nicht roh zu verspeisen. Le Maguet zeigt, dass es auch für diese Regel eine Ausnahme gibt: Sie heisst Pink Lady und ist in gut sortierten Supermärkten unter der Bezeichnung Fingeraubergine anzutreffen. Mit dem Gartenmesser schneidet Le Maguet ein kleines Stück von der langen, dünnen Frucht ab und bietet es zum Probieren an – roh. Die lilafarbene Pink Lady, sagt Tulipan Zollinger, sei die früheste Sorte in unseren Breitengraden und daher von besonders zartem Geschmack. In der Tat: Die Aubergine entfaltet im Gaumen ein nahezu fruchtiges Aroma. «Die muss man nicht mal kochen», sagt Le Maguet, «nur dünn schneiden. Dann ein bisschen Zitrone, Salz und Olivenöl dran, das gibt ein wunderbares Carpaccio.» Auberginen hätten dank ihrer Sortenvielfalt grosses kulinarisches Potenzial, sagt der Koch, geschmacklich sowie als Eyecatcher auf dem Teller.
Den Sinnen einen Streich gespielt
Zwei Stunden später hat Le Maguet den Besuch aus dem Mittelland zu einer Kostprobe in sein Restaurant geladen. Während die anderen einem Geflügel den Vorzug geben, macht für die Autorin die Terrine de Féra den Auftakt. Féra ist eine Fischart aus dem Genfersee, die in diesem Fall von jungem Sommergemüse begleitet wird. Die Auberginen dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Die rote aus Äthiopien hat ihre leuchtende Farbe beim Garen nicht eingebüsst, und während das Auge noch immer davon ausgeht, man habe es mit einer kleingewachsenen Ochsenherz-Tomate zu tun, widerlegt der Gaumen auch schon die Vermutung: Diese Frucht schmeckt weder nach Aubergine noch nach Tomate, vielmehr entfaltet sie ein leicht bitteres Aroma, und was nachhallt, ist eine süsse Schärfe, die gefällt. Die lange Pink Lady verleiht der Kreation derweil eine fruchtige Note. Der Bambino spielt den Sinnen einen Streich, weil er anmutet wie eine Traube, aber dann mit festem Fleisch auftrumpft – und einem Aroma, für das die Autorin lange den passenden Vergleich sucht. Röstkartoffeln, vielleicht? Später geht es mit einem Makrelenfilet weiter, und wieder mischt, schön integriert, die Eierfrucht mit, zeigt sich nachgiebig oder mit Biss, fungiert als Geschmacksverstärker oder in eigener Sache.
«Die Aubergine vermittelt einen Hauch Exotik, ist aber nie aufdringlich», sagt Küchenchef Olivier Le Maguet, «das gefällt mir.» Vater und Sohn Le Maguet hat das Gemeinschaftsprojekt mit den Saatgutherstellern Spass gemacht. Ein paar der neuen Früchte, die ihnen das Experiment bescherte, werden sie auch künftig auf dem Speiseplan lassen. Samenzüchter Tulipan Zollinger hofft, dass auch andere Gastronomen auf den Geschmack kommen. «Dann haben Gemüseproduzenten Grund, solche Raritäten zu fördern», sagt er. So sei eine Sorte letztlich nur langfristig überlebensfähig, wenn sie auch regelmässig angebaut werde. Dies allein stelle sicher, dass sich das Saatgut den sich verändernden Umweltbedingungen anpassen und robuste Pflanzen gedeihen lassen könne. «Damit sich Sortenvielfalt lohnt», sagt Zollinger, «müssen wir sie auf dem Teller sehen.»