Beim Einkauf allerdings war die Sache schwieriger als gedacht. Einfach zum Fischmarkt gehen, einem der Touristenziele der Stadt, und den Fang des Tages erwerben? Eher nicht. Höchste Qualität zu bekommen, sagt Speinle, sei in diesem Segment alles andere als simpel. Das habe er sich leichter vorgestellt in einer Stadt, von der aus im Nu das Meer erreicht wird.
Zweitklassige Ware zu verwerten, wäre freilich undenkbar. Speinle kämpft um das Beste, findet es und richtet es mit Verve an. Schon der Einstiegshappen mit Meerrettich und Rotkohl, ein federleichtes violettes Juwel, liegt dramatisch anmutend auf dem weissem Teller. Dann Kaisergranat von den Färöern mit einem Schaum von Jalapeños und Chorizo. Aromatisch verführerisch, durch die leichte Schärfe munter machend. Die eigene Handschrift blitzt durch.
Die Garnelen aus einer Zucht an der Kieler Förde sind so gut, dass man sie auch roh reichen darf, und das Kalbsbries mit Salzzitrone und Shiitake zeugt von einem tiefen Verständnis der Materie. Speinle ist ein Tüftler, der lange nachdenkt, sich aber auch inspirieren lässt. Die Rotbarbe mit ihren aufgeknusperten Schuppen, mit schwarzem Knoblauch und Tomate, gab es in ähnlicher Art auch schon einmal anderswo, weshalb ein deutscher Blogger nach ihrem Verzehr Plagiat rief.
Noch mehr Druck. Doch Speinle lässt sich nicht irritieren. Weder von der Tatsache, dass es auf der hübschen Terrasse des Lakeside viel zu windig ist, um, wie einst angedacht, Speisen zu servieren. Noch von der am Anfang mangelhaften Beleuchtung der Tische. Lieber denkt er über Details nach. Über jene winzige geschmackliche oder auf die Textur bezogene Irritation, die ein harmonisches Gericht erst spannend mache. Über die Art und Weise, wie die Gerichte präsentiert gehören.
Es geht ja schliesslich nicht nur um süss und salzig, bitter und sauer, es geht auch um Optik. Dunkles, gar schwarzes, von den Speisen ablenkendes Porzellan ist nicht Speinles Sache. Man wisse, so der Chef, dass Speisen, die im 45-Grad-Winkel angerichtet würden, dem Gast am besten gefielen.
Dass die Weine am eindrücklichsten sind, wenn sie mit Charme und Fachkenntnis gleichzeitig serviert werden, hat sich ebenfalls gezeigt. Sommelière Stefanie Hehn, eine der Besten, setzt auf Persönlichkeit statt grosse Namen, auf Überraschungen. Was sie an älteren Jahrgängen an Land gezogen hat, verblüfft, die Preise sind unerwartet günstig. Wobei es nun wohl endgültig Zeit ist, den von Investor Kühne im Übermut herausposaunten Satz mal zu kassieren.
Das The Fontenay ist, schon weil das Frühstück nicht herausragt, der Kaffee bloss passabel ist und der Hoteldirektor allzu sehr im Verborgenen agiert, mitnichten das beste Hotel der Bundesrepublik. Das Lakeside indes als eines der preiswertesten Gourmetrestaurants Deutschlands zu benennen, dürfte keinen ernsthaften Widerspruch auslösen.
Das Lakeside befindet sich im Hotel The Fontenay in Hamburg. Die kleine Gourmetreise (fünf Gänge) kostet 142 Euro, das grosse Programm (sieben Gänge) ist für 165 Euro zu haben.
Restaurant Lakeside
Hotel The Fontenay
Fontenay 10, 20354 Hamburg, Deutschland
+49 40 6056 6050
www.thefontenay.de