Der Fisch mit der Marke

Den Egli zu züchten, ist eine echte Herausforderung. Eine, die das Team der Valperca AG am Fuss des Lötschbergs dank warmem Bergwasser gemeistert hat. Diesen Sommer kam La Perche Loë, wie der Schweizer Zuchtegli heisst, gar als Bratwurst auf den Grill.
Text: Melanie Keim – Fotos: Njazi Nivokazi / z. V. g.
Veröffentlicht: 01.10.2019 | Aus: Salz & Pfeffer 7/2019

«Wir mussten schlicht experimentieren.» 

«Das ist unser Berg, 
der Lötschberg», ruft David Morard in Richtung Tunneleingang, in dem gerade ein Schnellzug verschwindet. Wir stehen vor den Produktionshallen der Valperca AG im Walliser Ort Raron, der grössten Eglizucht der Schweiz. Dass der Geschäftsführer des Unternehmens bei der Begrüssung nicht beim Fisch ansetzt, sondern beim nahen Lötschberg, hat seine Richtigkeit. Denn am Anfang des Erfolgs von La Perche Loë, wie der Walliser Zuchtegli heisst, steht der 2007 eröffnete Lötschberg-Basistunnel.

Mit dessen Bau musste warmes Bergwasser an den Tunnelröhren vorbei nach draussen geleitet werden. Direkt in die Rhone beim südlichen Ausgang in Raron konnte das Abwasser jedoch nicht fliessen. Mit 16 bis 19 Grad war es zu warm für das Ökosystem. Die Gemeinde stand also vor einem Problem. Und die Valperca AG endlich vor einer Lösung. Morard, der 2005 zum Unternehmen stiess, erzählt von einem gescheiterten Aquakultur-Versuch im offenen Wasser des Neuenburger Sees. «Für die Eglizucht waren die Bedingungen im See nicht geeignet», sagt er. Für die Zucht müsse man die Wasserqualität kontrollieren können. Mit dem in grossen Mengen verfügbaren Bergwasser wurde schliesslich eine Aufzucht im geschlossenen Kreislauf möglich. Und dank der Temperatur des Wassers erst noch mit minimer Wärmezufuhr.

«Hier ist das ganze Jahr Sommer», sagt Morard später auf der Besuchergalerie der Aquakultur-Anlage. Im Dunkel unter uns schwimmen rund 1,5 Millionen Fische in 35 Becken, alle im 21 Grad warmen Wasser. Im Vergleich zu Fischen im natürlichen Kreislauf, die im Winter an Gewicht verlieren, wachsen die Raubfische hier rund dreimal so schnell. Im Gegensatz zum Dasein in natürlichen Gewässern fressen sie in der Zuchtanlage auch keine kleineren Artgenossen. Die Eglis werden nämlich laufend nach Grösse sortiert und auf neue Becken aufgeteilt, um Kannibalismus zu verhindern.

Das Sortieren der Fische ist nur eine von zahlreichen Herausforderungen der Zucht. Der vom Schweizerischen Fischerei-Verband zum Fisch des Jahres 2019 gekürte Egli braucht nicht nur beste Wasserqualität, Ruhe und Dunkelheit. Er ist auch anfällig für Krankheiten von anderen Tieren, weshalb in Raron ausschliesslich Eglis gezüchtet werden. Laut Morard spielt sich die heikelste Phase jedoch nicht hier ab, sondern in der Brutanlage in Chavornay im Kanton Waadt, in der das ganze Jahr über Mai beziehungsweise Laichzeit simuliert wird. Wenn die Larven ihre Schwimmblase bilden und dafür an die Wasseroberfläche kommen, darf auf dieser zum Beispiel kein Ölfilm vom Fischfutter schwimmen. «Wir mussten schlicht experimentieren», sagt Morard über die an einen Fön erinnernde technische Lösung, die sein Team entwickelte. Ausprobieren war die Devise für den gesamten zwölfmonatigen Zuchtzyklus vom Rogen bis zum finalen Elektroschock. Denn zur Eglizucht gibt es kaum Literatur.

«Unser Zuchtegli hat eine andere Frische und Textur als Fangfisch», sagt Geschäftsführer David Morard.
Vieles musste in Raron einfach mal ausprobiert werden. Denn zur Eglizucht existiert kaum Literatur.

In der Schweiz werden gemäss dem Fischerei-Verband jährlich rund 3500 Tonnen Egli konsumiert. Etwa einen Zehntel davon steuert die Zucht in Raron bei. Als Morard 2016 Geschäftsführer der Valperca AG wurde, waren die technischen Probleme weitgehend gemeistert. Trotzdem sah er für den Egli, der zu 100 Prozent in der Schweiz produziert wird, keine Zukunft – solange dieser keinen Namen hatte. Der Hinweis auf die einheimische Herkunft reiche nicht aus, um die besondere Qualität zu verkaufen, dank welcher der Fisch auch zum Rohessen geeignet sei, sagt der Neuenburger. «Unser Zuchtegli hat eine andere Frische und Textur als Fangfisch, der nicht direkt auf Eis landet und je nach Gewässer auch einmal einen sumpfigen Geschmack haben kann», erklärt er.  Mit der Marke La Perche Loë, in welcher der Lötschberg anklingt, können nun die Aufzucht im Bergwasser und der kurze Weg vom Becken in die benachbarte Verarbeitung vermittelt werden.

Im letzten Jahr produzierte die Valperca AG 100 Tonnen Eglifilets, die roh oder geräuchert sowie als Tatar verkauft werden. Inzwischen ist der Fisch nicht nur im Detailhandel sowie über den Onlineshop erhältlich, auch Gastronominnen wie die amtierende Gault-Millau-Köchin des Jahres Marie Robert vom Café Suisse in Bex oder Vreni Giger, Gastgeberin im Sorell Hotel Rigiblick by Vreni Giger, arbeiten mit dem Walliser Fisch. «Ich war extrem überrascht über die Qualität des Zuchteglis», sagt Giger und schwärmt vom festen, schmackhaften Fleisch. In Zürich sei es schwierig, regelmässig Frischfang zu bekommen. Deshalb steht La Perche Loë im Rigiblick immer wieder auf der Karte. Auch den geräucherten Egli, dem sie anfangs skeptisch gegenüberstand, serviert sie gern, etwa auf einer Rösti mit Sauerrahm. Während Giger den Walliser Egli im Rahmen eines Events von La Perche Loë auch schon als Ceviche im Randensaft präsentierte, kreierte Romain Paillereau (La Pinte des Mossettes, Val-de-Charmey) beispielsweise eine Foie-gras-Terrine mit Egli oder inszenierte Benjamin Luzuy (Le Chef, Genf) die Filets mit Pfifferlingen und weisser Schokolade. «Für uns ist es wichtig, dass man mit dem Egli weitergeht als Knusperli oder à la meunière», sagt Morard. Und schreitet mit gutem Beispiel voran: Diesen Sommer lancierte das Unternehmen eine Fischbratwurst – mit Fleisch, das beim Filettieren übrigbleibt.

La Perche Loë
Bodmereya, 3942 Aaron
027 935 80 80
www.lapercheloe.ch

 



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