Reis an der Reuss

Claudia und Michael Rüttimann Stohler bauen im Aargau seit Kurzem Risottoreis an. Dass zu ihren Abnehmern unter anderem der Zürcher Spitzenkoch Fabian Fuchs gehört, ist ein Glücksfall – für beide Seiten.
Text: Dominik Flammer – Fotos: Jürg Waldmeier
Veröffentlicht: 29.08.2022 | Aus: Salz & Pfeffer 4/2022

«Diese Menge war jedoch verkauft, bevor wir sie geerntet hatten.»

Aare, Reuss und Limmat ermöglichen, was vor zehn Jahren noch undenkbar war. Auf temporär gefluteten Flächen bauen bereits sechs Aargauer Betriebe Reis an. Einer davon gehört Claudia und Michael Rüttimann Stohler in Jonen. Für Fabian Fuchs ein Grund, die beiden zu besuchen. Denn der Zürcher Spitzenkoch arbeitet in der Neuen Taverne fast ausschliesslich mit regionalen Produkten.

Mitten im Reisfeld steht ein Reiher, eine Stockentenmutter flüchtet vom Rand des Feldes hinein ins Dickicht, ihre Jungen paddeln eifrig hinterher. Zwischen den Ähren schwirren unzählige Libellenarten, Frösche quaken. Neben dem Feld steht stramm und hoch der Mais, den die Rüttimanns als Futter für ihre Milchkühe anbauen. Dass sie sich parallel dazu auf den Reis eingelassen haben, ist reiner Zufall. Michael Rüttimann hörte über verschiedene Kanäle davon. Doch erst die Euphorie seiner Frau und seines Umfelds überzeugten ihn schliesslich restlos von dem Projekt. Und natürlich die unmittelbare Nähe der eigenen Felder zur Reuss. Denn schliesslich muss die 75 Aaren grosse Fläche wöchentlich mit 200 Kubikmetern Wasser geflutet werden, damit die Reispflänzchen rund um die Uhr im Nassen stehen. Ins Feld gepumpt wird es aus der Reuss. Das hat im Gegensatz zum Trockenanbau zwei wesentliche Vorteile: Einerseits werden durch den permanenten Wasserstand beinahe sämtliche Unkräuter unterdrückt, anderseits dient das Wasser als Energiespender, sodass die Reispflanzen insbesondere in kühleren Nächten milde Bedingungen vorfinden.

Entstanden ist ein kleines ökologisches Paradies. Der Anbau der Reissorte Loto, bekannt auch von den Feldern im Tessin, erfolgt ohne Düngung und kommt ohne Pflanzenschutzmittel aus. Dem Projekt, das 2017 von Agroscope lanciert wurde, haben sich schweizweit inzwischen 13 Betriebe angeschlossen. Aus ökologischer Sicht ist es bereits ein Erfolg: Innert kurzer Zeit haben sich auf den neuen Reisfeldern stark gefährdete Tier- und Pflanzenarten angesiedelt. Das Feld ist auch ein schöner Beweis dafür, dass es alternative Produktionsmöglichkeiten auf Feuchtackerflächen gibt.

Leicht war der Start auf dem Hof in Jonen nicht, die erste Ernte 2021 brachte gerade mal 800 Kilogramm Reis. «Diese Menge war jedoch verkauft, bevor wir sie geerntet hatten», sagt Michael Rüttimann schmunzelnd. Von den drei bis vier Tonnen, die er für dieses Jahr erwartet, ist die Hälfte bereits wieder reserviert. «Wir haben eine Reservationsplattform für unsere Kundschaft eingerichtet, und die Liste wird von Tag zu Tag länger.»

Cassis-Milchreis von Fabian Fuchs, Neue Taverne, Zürich

Das Reisfeld der Rüttimanns liegt an der Radroute Bremgarten–Zug. Der bauernschlaue Produzent hat einen für alle zugänglichen Grünstreifen gemäht und ein Plakat mit sämtlichen Angaben dazu, wie und wo man den Aargauer Reis bestellen kann, platziert. «Kaum ein Radfahrer oder eine Spaziergängerin, der oder die hier nicht stehen bleibt», sagt Rüttimann. Abends schickten viele bereits ihre erste Reservation. Bereits in Planung ist ein Bänkchen. Sozusagen als Einladung, sich das Reisfeld in aller Ruhe zu betrachten.

Zu den etwas Privilegierten, die schon einige Kilogramm Reis von Rüttimanns erhalten haben, gehört der Zürcher Spitzenkoch Fabian Fuchs, der sich in den vergangenen Jahren mit seinem radikal regionalen Ansatz im Equitable weit über die Stadt hinaus einen Namen machte und seit diesem Frühjahr an der Spitze der Neuen Taverne steht, die von seinem Weggefährten Nenad Mlinarevic und dessen Partner Valentin Diem betrieben wird. Vom Reis aus Jonen war er erst überrascht: Da Claudia und Michael Rüttimann diesen aus Überzeugung sehr stark polieren, fielen die Körner im ersten Jahr relativ klein aus. Fuchs beschloss darum, das Aargauer Produkt in erster Linie in Form von Milchreis zuzubereiten. «Der Reis darf nur kurz kochen, dann wird er aber fantastisch», schwärmt er.

Das Feld der Rüttimanns 
sieht der Küchenchef an einem heissen Julitag zum ersten Mal. Wie immer, wenn er mit Produzentinnen und Produzenten zusammenarbeitet, möchte er sehen, wo und wie die Lebensmittel entstehen, die er verarbeitet. Wenn der Reis dieses Jahr weiterhin so prächtig gedeiht, wird Fuchs ein dankbarer Abnehmer sein. «Das hängt aber davon ab, ob ihr auch genug liefern könnt», so der Spitzenkoch zum Produzentenpaar, «denn einige 100 Kilogramm benötigen wir schon, auch wenn wir den Reis nicht immer auf der Karte haben werden.»

Die Menge wird Fabian Fuchs kriegen, wenn bis zur Ernte Mitte Oktober alles rundläuft. Denn für Rüttimanns ist der Zürcher Koch ein Glücksfall. Als Botschafter für ihren Reis steht er täglich in seinem Lokal. Und seine neuste Kreation – ein Cassis-Milchreis mit Beeren, einem Eis aus Cassisholz, präsentiert mit pulverisierten Cassis-Blättern – dürfte bald zu seinen Signature Dishes gehören. Wenn die Ernte gut ausfällt, werden Rüttimanns nächstes Jahr die Fläche deutlich vergrössern, damit sie der Nachfrage auch künftig gerecht werden können. «Da es dieses Jahr schwierig war, überhaupt Saatgut vom Loto-Reis zu erhalten, werden wir nächstes Jahr sicher auch über weitere mögliche Sorten nachdenken», so Rüttimann.

Zum Entdecken und Einkaufen
Wer nicht schon zufällig auf dem Reuss-Radweg am Reisfeld der Rüttimanns vorbeigeradelt ist, kann sich auf deren Website informieren und ein Päckchen Aargauer Reis sichern. Und sollte die heurige Ernte nicht reichen, gibt es noch weitere Produzenten, die aus dem Aargau oder dem Schweizer Mittelland heimischen Reis liefern können – auch in Bioqualität.

Aargauer Reis
Mattenhof, Claudia und Michael Rüttimann Stohler, Mattenhof 3, 8916 Jonen, 079 569 50 40, mattenhof-jonen.ch

Aargauer Bio-Reis
Wildenau, Lukas und Natalie Neuhaus, Wildenau 2, 5608 Stetten, 079 487 92 54, wildenau.ch

Neuenburger Reis
Guillod SA, Léandre und Maxime Guillod, Route du Lac 91, 1787 Môtier, 079 671 32 26, rizduvully.ch



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